Warum eine digitale Musiksammlung so toll ist

Meinen ersten Tonträger habe ich etwa 1985 gekauft, es war Forever Young von Alphaville auf Kassette weil ich keinen Plattenspieler besass. Ich hatte die Musik zwar schon als Privatkopie auf Tape, wollte aber meine Wertschätzung durch den Besitz eines Originals ausdrücken. Das war der Start meiner Musiksammlung, etwas später bin ich auf Schallplatten umgestiegen und habe mich darüber geärgert Geld in das veraltete Medium Kassette gesteckt zu haben, mein erstes Album war 1987 Actually von den Pet Shop Boys.

Anfang 1988 entdeckte ich den Hard Rock mit New Jersey von Bon Jovi und schon ein halbes Jahr später bin ich mit Helloweens Keeper of the Seven Keys Part II zum Metaller konvertiert. Da waren mir meine Popplatten dann irgendwie peinlich und störten in der Sammlung, ähnlich ging es mir mit den kitschigeren Metalscheiben als ich 1990 mit Against the Grain von Bad Religion auf Hardcore umgestiegen bin. Und dann kam die CD und wie zuvor die Kassetten waren meine Platten plötzlich antiquiert und ich habe sie alle verscherbelt um mir einen CD-Spieler zu kaufen. Meine erste Silberscheibe war Reach von Snuff, da war es etwa 1992.

Ein Jahrzehnt später kam dann Musik in Dateiform und zum dritten mal war meine Musiksammlung in meinen Augen wertlos, also habe ich alle CDs verscherbelt und bin auf eine digitale Sammlung umgestiegen. Die Übergänge waren allesamt schmerzhaft aber es wurde mit jedem Wandel angenehmer Musik zu hören. Im Gegensatz zur Kassette konnte man auf Schallplatte sofort den Titel seiner Wahl hören, bei CDs konnte man ein ganzes Album am Stück hören und die Songreihenfolge zufällig bestimmen lassen, das war schon immer meine Lieblingsfunktion weil man damit Alben neu entdecken kann die man schon in und auswendig kennt.

Mit meiner digitalen Sammlung habe ich endlich das Gefühl angekommen zu sein, denn komfortabler geht es nicht und sie ist praktisch unzerstörbar. Denn selbst wenn meine ausgefeilte Backupstrategie einmal versagen sollte: solange es Amazon und Bandcamp gibt kann ich zur Not alles wieder restaurieren. Was allerdings verloren ginge ist das was eine Sammlung ausmacht: die Kuratierungsinformationen. Zum einen lösche ich gadenlos jedes Stück das mir nicht gefällt, zum anderen pflege ich die Metadaten, vor allem Genre und Erscheinungsjahr stimmen oft nicht. Manchmal missfällt mir auch das Cover, oder die Songtitel enthalten das nervtötende „[Explicit]“ oder etwas in der Art.

Wenn man seine Sammlung gut gepflegt hat kann man dann diese lässigen intelligenten Wiedergabelisten erstellen um sich dann beispielsweise zufällig durch Death Metal der 90er zu hören. Und die Abspielsoftware ist so clever dass die Lautstärke von alten Aufnahmen derer von modernen Produktionen angepasst wird. Kurz: besser geht es nicht, wenn es einem nur darum geht Musik zu hören. Audiophiliacs mögen das anders sehen.

Nachdem ich mit Radio und Fernsehen nicht viel anfangen kann ist es wenig überraschend dass ich auch Streaming Dienste weitgehend ignoriere, ganz einfach weil man damit die Kontrolle über seinen Medienkonsum abgibt.

Meine einzige Sorge im Umgang mit Musikdateien ist dass es praktisch unmöglich ist sie anonym zu erwerben, in einem religiös geprägten totalitären Regime wären meine okkulten Doomalben sicher nicht gerade unproblematisch.

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